Wer schützt die Bürgerrechte in der Bundesrepublik?
Es herrscht Wahlkampf und da muss vielleicht nicht jede Forderung auf die Goldwaage gelegt werden. Dennoch fällt auf, dass die Regierungsparteien das Internet offenbar als die Quelle allen Übels wahrnehmen. Ob aus der ersten Reihe oder der letzten Hinterbank: Mitglieder von CDU und SPD übertrumpfen sich geradezu mit absurden Horrorszenarien, um den Weg für die weitere Aufweichung der Bürgerrechte frei zu machen.
Udo Vetter fragt in einem sehr lesenswerten Beitrag zum Thema im Lawblog:
Würde sich ein Streifenpolizist mit an den Gartenzaun stellen und vorsorglich das Gespräch zweier Nachbarn mithören, nur wegen der entfernten Möglichkeit, dass der eine den anderen beleidigt?
Für das Internet scheint sich das manch eMail-Abhefter aus Regierungskreisen zu wünschen. Eine Orwell’sche Gedankenpolizei scheint in greifbare Nähe gerückt.
Da mit dem 27. September der Termin zur Bundestagswahl 2009 immer näher rückt, wird die Frage immer dringender, welche Partei ein Demokrat in diesem Staate wählen kann, wenn er die Grundrechte geschützt wissen will. Die Alternativen zu den Volksparteien – FDP und Grüne – stellen sich auch nicht gerade als Fels in der Brandung dar: Westerwelle kündigt bereits im Wahlkampf verklausuliert an, dass die FDP selbstverständlich einknicken wird; Die Grünen haben mit ihrem Abstimmungsverhalten bei den Zensursula-Gesetzen auch kein Rückgrat gezeigt.
„Piraten!“ will ich jetzt nicht unbedingt hören.
(Irgendwie passt es, dass die OSZE zum ersten Mal Wahlbeobachter nach Deutschland schickt.)
15.08.2009 um 21:49
Selbst wenn du es nicht hören willst.. was bleibt ernsthaft? Die Linke etwa? Die Freien Wähler, die für alles stehen und nichts?
15.08.2009 um 22:20
Eben das ist das Problem…
15.08.2009 um 23:34
Also welche andere Antwort als „Piraten“ soll man geben? ;)
16.08.2009 um 09:13
Eine, die ich hören will? ;-)) Sagen wir mal so: Wer seine Stimme in der Regierung oder wenigstens der parlamentarischen Opposition vertreten sehen will, der hat’s nicht leicht.
17.08.2009 um 11:19
Mein bisheriger Eindruck ist nicht der, dass die Frage nach dem Internet imm Wahlkampf der großen Parteien eine besonders wichtige Rolle spielen würde.
Die Grünen MdBs, die sich bei der Zensursula-Entscheidung enthalten haben statt dagegen zu stimmen, wurden innerparteilich sehr deutlich kritisiert. Ein Großteil der Fraktion hat sehr wohl Rückgrat bewiesen und die Programmatik ist eindeutig. Beispiel für die innerparteiliche Diskussion im Blog der Bawue-Grünen oder in diversen beiträgen bei Till Westermayer.
Was die Erststimme anbelangt ist es hier in Freiburg recht einfach mit gutem Gewissen eine aussichtsreiche Kandidatin zu wählen: Daniel Sander ist – vermute ich mal – in dieser Frage voll auf Zensursulalinie. Gernot Erler (SPD) hat wie bei so vielen wichtigen Abstimmungen mal wieder bei der Abstimmung gefehlt. Kerstin Andreae hat mit NEIN gestimmt. Und angesichts der Europawahlergebnisse und der Tatsache, dass im Gegensatz zu den beiden letzten Bundestagswahlen seitens der Grünen kein Erststimmenaufruf für Erler gestartet wird, kann Kerstin es durchaus schaffen nach Ströbele das zweite grüne Direktmandat klarzumachen.
17.08.2009 um 22:49
Natürlich ist das Internet an sich im Wahlkampf nur eine Marginalie. Die Frage nach den Bürgerrechten aber schon nicht mehr – die FDP versucht ja z. B., sich mit entsprechenden Plakaten als Hüterin derselben aufzuspielen.
Es ist ja schön, dass die Zensursula-Enthaltungen innerparteilich deutlich kritisiert wurden. Aber das zeigt, dass selbst eine eindeutige Programmatik eben kein Garant dafür ist, dass die Abgeordneten auch in diesem Sinne abstimmen – das nicht zu tun, ist ja auch ihr demokratisch verbrieftes Recht.
21.08.2009 um 17:55
Jede Stimme für die Piraten bringt Geld für eine Veränderung. Und hier werden die Piraten mehr bewegen können als alle Oppositionsparteien zusammen. Die – also eigentlich wir – sind nicht mehr aufzuhalten.
Gruss
Bernd
23.08.2009 um 23:27
@bernd
Warum sollten denn die Piraten mehr bewegen können „als alle Oppositionsparteien zusammen“? Entweder die Piraten kommen rein – dann sind sie aller Voraussicht nach in der Opposition und können das bewirken, was die bisherigen Oppositionsparteien bislang auch schon getan haben: Anfragen stellen, Regierungsvorhaben ablehnen usw.
Oder sie kommen nicht in den Bundestag und können dann auch nicht mehr bewegen als die bisherigen Oppositionsparteien.
Bitte bring doch mal Argumente für deine Behauptung, finde ich nicht schlüssig.
@JC
Es ist gut, dass wir kein imperatives Mandat haben – ich denke da sind wir uns einig.
Letztlich geht es nicht allein darum, die besseren Argumente auf der eigenen Seite zu haben, sondern darum Mehrheiten für diese Positionen zu bekommen. Gerade bezogen auf moderne technische Kommunikationsmittel gibt es eine Ungleichverteilung des Wissens über diese, der Gefahren der selben usw. (Was man sehr gut z.B. an der Alters-, Geschlechts-, und Berufsverteilung der Mitglieder der Piraten zeigen könnte…)
Nun sind aber jene, die vergleichsweise souverän mit diesen Mitteln umgehen oder gar ein tieferes, analytischeres Verständnis dieser Mittel entwickeln, ein vergleichsweise kleiner Teil der Bevölkerung. Bekanntermassen ist ja jedeR dritte WählerIn einE RentnerIn. Ebenso ist bekannt, dass gerade diese Gruppe besonders treue WählerInnen mit besonders stabilen Parteipräferenzen sind. Meines Erachtens wird die Piratenpartei diese WählerInnen nicht erreichen, sinnvoller wäre es, darauf hinzuarbeiten. Druck auf die beiden großen Parteien auszuüben. Genau dazu braucht man aber keine Partei, die eher in Konkurrenz zu Grünen, Linken, FDP steht, sondern eine breite ausserparlamentarische Bewegung.
Die Analysen der Europawahl zeigen ja recht deutlich, welches Klientel die Piratenpartei zu mobilisieren vermag (junge Männer mit IT/Naturwissenschafts-Hintergrund). Ehrlich gesagt, glaube ich, die Piraten können froh sein, wenn Sie das Europaergebnis halten – die Bundestagswahl wird von vielen WählerInnen wichtiger genommen (drückt sich auch in höheren Wahlbeteiligungen aus) und da werden viele nicht die Katze im Sack wählen wollen, was nun mal in vielen Bereichen bei den Piraten der Fall ist.